Fehmarn: Diskussionsrunde zur Energiewende – Volles Haus im Gasthof Meetz

An der Diskussionsrunde unter dem Titel „Energiewende – Booster für den Norden?“ auf Fehmarn herrschte am Montagabend reges Interesse. Der Saal im Gasthof Meetz war voll.
- Energiewende kann nur gemeinsam durch Bund, Land und Kommunalpolitik realisiert werden.
- 20 Prozent an Gas werden im nächsten Winter fehlen.
- 22000 Windturbinen müssen in den nächsten sieben bis acht Jahren in Deutschland gebaut werden.
Fehmarn – Über ein volles Haus freute sich SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn. Die Sozialdemokratin hatte zu einer Diskussionsrunde unter dem Titel „Energiewende – Booster für den Norden?“ am Montag in den Gasthof Meetz nach Bannesdorf eingeladen.
„Stromnetze und Speicher: Wie die SPD-Bundestagsfraktion die Wirtschaft stärken und Preise senken will“ lautete der Untertitel der Diskussionsveranstaltung. Im Vorfeld lagen laut Hagedorn 25 Anmeldungen vor. „Ich habe mich riesig gefreut, dass der Saal so voll war. Ich habe mit weniger gerechnet. Es zeigt, dass auch ein technisches Thema die Menschen auf Fehmarn wirklich interessiert. Mich hat auch die Intensität, die Fragen, die Antworten und wie alle zugehört haben, dass war wirklich komplex, was wir besprochen haben, wirklich begeistert“, bilanzierte die Bundestagsabgeordnete auf Nachfrage. Die Energiewende könne nur gemeinsam durch Bund, Land und die Kommunalpolitik realisiert werden. Vor der Diskussionsrunde besuchte Hagedorn gemeinsam mit ihrem Parteikollegen Bengt Bergt (stellvertretender energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion) die Reederei Scandlines. Bergt kommt aus der Windkraftbranche und wohnt in Norderstedt. 2021 zog er erstmals in den Bundestag ein.
Gas wird für den Übergang benötigt
„Durch den Krieg in der Ukraine haben wir auf Flüssiggas umgestellt. Das ist eigentlich eine Drittwelttechnik. Solche LNG-Schiffe liegen an den Küsten in Südamerika oder Afrika, wo die Möglichkeiten an Land nicht bestehen. Sie sind nicht die saubersten Schiffe und das Gas ist auch nicht das sauberste. Wir brauchen jedoch das Gas, um den Übergang in die neue erneuerbare Welt zu schaffen“, erklärte Bergt in seinem Vortrag „Stromspeicher und Netze als Standortfaktor für die Region“. Deutschland sei gut durch den Winter gekommen und müsse nun schon wieder anfangen, Gas im Sommer für den nächsten Winter zu sparen. Durch das Ausbleiben der russischen Gaslieferungen würden im nächsten Winter rund 20 Prozent fehlen.
„In Deutschland stehen 33000 Windturbinen“, so Bergt. Um 2045 klimaneutral zu sein, müssten noch weitere 22000 Windturbinen in den nächsten sieben bis acht Jahren gebaut werden. Dies sei machbar, jedoch unter Voraussetzungen. Die gleiche Leistung solle noch einmal in Solarenergie gebaut werden.
Das Problem ist der Netzausbau. Wir haben im Norden viel Wind und im Süden viel Sonne
„Das Problem ist der Netzausbau. Wir haben im Norden viel Wind und im Süden viel Sonne. Bei viel Wind erzeugt eine Windkraftanlage im Stromnetz enorme Spitzen und wird abgeregelt. Wir kriegen den im Norden durch Wind erzeugten Strom nicht weg“, führte Bergt aus. Im Netzentwicklungsplan bis 2045 sind 3000 Kilometer Netze im Übertragungsnetz vorgesehen. Davon seien derzeit rund 800 Kilometer geplant.
Im Verteilnetz (direkte Anbindung an die erneuerbare Energien) rechnet Bergt mit enormen Investionssummen. „Hier gibt es in Deutschland eine enorme Schieflage bei den Netzentgelten“, so der SPD-Bundestagsabgeordnete. In Schleswig-Holstein seien 9,2 Cent pro Kilowattstunde fällig. In Bayern gerade einmal drei Cent.
Diskrepanz auf dem europäischen Strommarkt
Nach dieser „Diskrepanz“ auf dem europäischen Strommarkt erkundigte sich auch Marco Eberle. Er habe eine Freundin in Österreich, die deutlich weniger für Strom zahlen müsse. „Deutschland und Österreich haben unterschiedliche Bedingungen. Österreich hat durch die Berge sehr viel Wasserkraft. Dadurch hatten sie sehr viel erneuerbaren Strom bereits im Netz, hatten jedoch auch Probleme den Strom ranzukriegen. Österreich hat den Vorteil sich aus Südeuropa zu versorgen zu können“, antwortete Bergt.
In Italien würden zum Beispiel acht LNG-Terminals stehen und die Italiener hätten langfristige Verträge in Sachen Flüssiggas. In Deutschland habe Russland trotz langfristiger Verträge aufgehört Gas zu liefern. Ebenfalls habe der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit seiner Aussage, dass Deutschland als viertgrößte Industrienation alles an Flüssiggas egal zu welchem Preis aufkaufen wolle, ein Marktsignal gesendet.
Kommunale Wärmeplanung für Fehmarn angeregt
Nach einer Frage von Jörg Josef Wohlmann, was die Kommunalpolitik in Sachen Energiewende tun könne, regte Bergt eine kommunale Wärmeplanung für Fehmarn an. Diese würde der Bund bis 50 Prozent fördern. „100 Prozent werden gefördert, wenn ihr darstellen könnt, dass ihr Euch das nicht leisten könnt“, so Bergt. Dies sei mit Blick auf von Bürgermeister Jörg Weber in seinem Grußwort erwähnten Gewerbesteuereinnahmen von drei Millionen Euro durch die Windkraft auf Fehmarn schwierig, scherzte der Bundestagsabgeordnete.
„Wir würden ja gerne Scandlines den Strom für die Hybridfähren liefern. Doch bevor wir ein Stromkabel verlegt haben, müssen wir zuerst ein Anwaltsbüro beauftragen, was uns erst die Regularien auf dem Strommarkt näher bringen muss“, erklärte der Geschäftsführer von Windenergie Fehmarn, Detlef Scheel.
Vor der Diskussionsrunde referierte der Scandlines-Projektmanager Marko Möller zum Thema „Aktueller Status des Projekts: Emissionsfreier Fährverkehr über den Fehmarnbelt“. Bekanntlich soll 2024 die erste Fähre emissionsfrei über den Belt fahren (wir berichteten). Möller bekam von Bergt Recht: „Im Bundestag arbeiten unfassbar viele Juristen.“ So sei einmal eine EU-Verordnung mit 20 Seiten aus Brüssel gekommen. „Mit 40 Seiten hat die Verordnung den Bundestag wieder verlassen“, so Bergt. Die Gesetze seien in den letzten 20 Jahren so gestaltet worden, dass jedes Individuum die maximalen Rechte habe. Dabei sei laut Bergt das Gemeinwohl auf der Strecke geblieben.
In den letzten 20 Jahren gab es eine Blockade der erneuerbaren Energie in Berlin
„In den letzten 20 Jahren gab es eine Blockade der erneuerbaren Energie in Berlin, durch Parteien die mitregiert oder alleine in der Verantwortung standen und Politik für die Atomkraft gemacht haben“, meinte Bettina Hagedorn. Sie ärgere sich maßlos über die Regresszahlungen in Milliardenhöhe an die Kernkraftbetreiber.