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Fehmarn: Mehr Schweine in Kopendorf, mehr Protest durch Provieh

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Von: Nicole Rochell

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Fehmarn Schweine Erweiterung Kopendorf
Die Muttersau liegt in der Box und versorgt die Ferkel, die im sogenannten Ferkelnest mit wärmendem Infrarotlicht versorgt werden. © FT-Archiv

Seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Kopendorf möchte Agrarbetriebswirt Falk Voß-Hagen erweitern. Dagegen regt sich Protest.

Fehmarn – Agrarbetriebswirt Falk Voß-Hagen aus Kopendorf will bekanntlich seinen landwirtschaftlichen Betrieb erweitern. Geplant ist die Erhöhung der Mastplätze von 10500 auf bis zu 13000. Der Bestand der Muttersauen erhöht sich um 330 Tiere. „Auf dem Hof sind 134 Muttersauen, das wird auch in Zukunft so bleiben. In dem zweiten Stall nach Baurecht genehmigt sind jetzt 610 Tiere, dieses werden künftig 940 sein“, so Falk Voß-Hagen.

Gegen das Vorhaben geht Provieh vor. Der Nutztierschutzverein setzt sich für eine artgemäße Tierhaltung und gegen die industrielle Intensivtierhaltung in der Landwirtschaft ein. Die Erhöhung der Tierzahlen „sowie die vorherrschenden und geplanten Haltungsbedingungen in der Anlage sind weiterhin untragbar“, so Provieh, der unter anderem auch die Nutzung von Vollspaltenböden und das Brandschutzkonzept in seiner Mitteilung scharf kritisiert. 

Grundsätzlich muss jedoch ein bundesweiter Umbau erfolgen

Nutztierschutzverein Provieh

Am Dienstag (23. August) findet im Kursaal Heiligenhafen der öffentliche Erörterungstermin der 35 Einwände von Privatpersonen, Vereinen und Träger öffentlicher Belange gegen die Erweiterungspläne der Schweineanlage auf Fehmarn statt. Die gelte es zunächst zu stoppen. „Grundsätzlich muss jedoch ein bundesweiter Umbau erfolgen“, sieht es Provieh. „Solche Anlagen haben keine Zukunft, statt sie zu erweitern, sollten sie zurückgebaut und durch tiergerechte Haltungssysteme ersetzt werden“, so Patrick Müller, Hauptstadtreferent bei Provieh.

Wir nehmen den Tieren keinen Platz weg, sie bekommen mehr

Falk Voß-Hagen, Agrarbetriebswirt

„Wir nehmen den Tieren keinen Platz weg, sie bekommen mehr“, so Voß-Hagen, der von geändertem Kundenverhalten spricht. Hatten die Tiere bei Auslieferung bisher rund 120 Kilo, hätten die Jungsauen jetzt 100 Kilo. Die Tiere seien schlanker. Dadurch entstehe mehr Freiraum und schneller zur Verfügung stehende Plätze bei einer höheren Taktung“, so Falk Voß-Hagen. 

Fehmarn Kopendorf Schweine Erweiterung
Agrarbetriebswirt Falk Voß-Hagen. © FT-Archiv

Provieh verbucht es in seiner Mitteilung als Erfolg auf dem Weg, die Vergrößerung der Schweineanlage zu stoppen, den geplanten Neubau von Kastenständen im Bauantrag per Einwendung beim zuständigen Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein erfolgreich verhindert zu haben. Falk Voß-Hagen wiederum erklärt, dass sich die Änderungen im daraufhin angepassten Bauantrag aufgrund der novellierten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 9. Februar 2021 ergeben habe. Die neue Gesetzesgebung habe es erforderlich gemacht, den Bauantrag zu aktualisieren. Auch das Brandschutzkonzept sei geändert worden, nachdem die Brandschutzbehörde es zunächst als unzureichend eingestuft habe, so Voß-Hagen. 

Ich mache mehr, als ich muss

Falk Voß-Hagen, Agrarbetriebswirt

Die bisherigen Kastenstände werden weiter genutzt, hinzu kommen Selbstfangbuchten, die einzeln und in Gruppen zu öffnen und fixieren sind, mit einer Freilauffläche dahinter. Und schon die bisherigen Kastenstände seien breiter und länger als gesetzlich gefordert. „Ich mache mehr, als ich muss“, so Falk Voß-Hagen, „wir leben von guten Leistungen, deshalb ist es mir wichtig, dass die Tiere sich wohlfühlen.“ 

Viele Tiere sagen nichts über Qualität und Haltungsformen aus

Falk Voß-Hagen, Agrarbetriebswirt

Zu jeder Zeit könnten sich die Tiere hinlegen und aufstehen, unterschiedliche Kleinklima- und Raumzonen nutzen. Die Tiere haben unterschiedliche Ansprüche. Ferkel brauchten es warm. Fußbodenheizung von unten, Sägespäne, Rotlampe von oben. „In allen Bereichen der Aufzucht haben die Tiere die Möglichkeit, unterschiedliche Temperaturzonen aufzusuchen“, so Falk Voß-Hagen, der darauf hinweist, dass sich sein Betrieb regelmäßig an Tierwohlprogrammen beteiligt. „Viele Tiere sagen nichts über Qualität und Haltungsformen aus“, so der Agrarbetriebswirt, „ich mache das nicht als Hobby, deshalb steht an oberster Stelle das Tierwohl. Und Tierwohl ist indiskutabel“, so Falk Voß-Hagen.

Neben den Kritikpunkten „Kastenstände und Ferkelschutzkörbe“, „Vollspaltenböden und mangelhaftes Konzept gegen Schwanzbeißen“ und „Fehlendes Brandschutzkonzept“ ist auch von Verstößen im Emissionsrecht in der Provieh-Mitteilung die Rede. Der Nutztierschutzverein verweist „auf offizielle Berichte“, denen zu entnehmen sei, dass der Investor mit seiner bisherigen Anlage bereits gegen entsprechende Bestimmungen und/oder Gesetze verstoßen hat. Details sind nicht veröffentlicht, heißt es.

Provieh wirft Voß-Hagen Verzögerungstaktik vor

„Provieh hat über das Portal ,Frag den Staat‘ bei den Behörden den Antrag gestellt, uns die kompletten Berichte der Kontrollen zukommen zu lassen. Die Behörde habe dies zunächst akzeptiert, jedoch einen formalen Widerspruch des Investors erhalten, heißt es. „Die Begründung dieses Widerspruchs lässt bis heute auf sich warten. Nach entsprechender Frist hatte die Behörde einen Bescheid erlassen, in dem sie uns und auch dem Investor mitgeteilt hat, die Kontrollberichte vollständig an uns herauszugeben“, so Provieh. Gegen diesen Bescheid habe der Investor schließlich Klage vor dem Verwaltungsgericht eingelegt – und diese erneut inhaltlich nicht begründet. „Das Gefühl, dass es sich hier um eine bloße Verzögerungstaktik handeln könnte, drängt sich mehr und mehr auf. Das Gericht hat jetzt entschieden: Die Behörde muss die vollständigen Kontrollberichte an uns herausgeben“, so Provieh in seiner Pressemitteilung „Erweiterung der Schweinefabrik auf Fehmarn verhindern!“

Falk Voß-Hagen: Null Beanstandungen

Die Emissionen werden regelmäßig überprüft, so Falk Voß-Hagen. Je nach Größe des Tieres werden zwischen sieben bis 20 Kubikmeter Umwälzung Luft pro Stunde vorgenommen. Die Abluft werde bis zu 90 Prozent von Staub und Ammoniak gereinigt und gefiltert, bevor sie in die Umwelt gelange. „Wir müssen eine lückenlose Dokumentation nachweisen. Alle 15 Minuten werde die Abluft gemessen. Die Werte werden, ein ganzes Jahr lang, alle Jahre, auf Software dokumentiert, ein unabhängiges Büro fertigt ein Gutachten, und jedes Jahr werden die Ergebnisse der Landesbehörde mitgeteilt. Die Ergebnisse seien so gut, dass nur alle drei Jahre Prüfungen auf dem Hof Voß-Hagen stattfinden. Auch Haltungsbedingungen, der Eindruck der Tiere, die Fütterung, Gülleanfall ... – die gesamte Produktion drumherum werde dann kontrolliert. Hinzu kommen noch zwei Qualitätssiegel. Zweimal im Jahr kommen unangemeldet Prüfer auf den Hof, die die Haltungsbedingungen und das Tierwohl für das Qualitätssiegel kontrollieren. Und noch zwei weitere Male kommen unangemeldet Prüfer, die das Tierwohlprogramm und noch einmal die Tierqualität prüfen. „Wir können nicht machen, was wir wollen. Wir machen das, was wir dürfen und gehen darüber hinaus“, so Falk Voß-Hagen. Erst vor rund acht Wochen seien Kontrolleure vom Landeslabor mit mehreren Mitarbeitern über zwei Tage vor Ort gewesen, die den Arzneimitteleinsatz, Futtermittel und Inhaltsstoffe, jeder seinen Teilbereich, geprüft haben. „Null Beanstandungen“, fasst Falk Voß-Hagen das Ergebnis der Prüfung zusammen.

Protestaktion am 23. August vor dem Kursaal Heiligenhafen

Unter dem Motto „Ferienidyll statt Schweinefabrik“ werden sich am 23. August Tierschützer auf dem Vorplatz des Kursaals Heiligenhafen versammeln. „Der 23. August ist ein ganz wichtiger Termin für uns“, so Patrick Müller. Provieh wird diesen Termin gemeinsam mit der Albert-Schweizer-Stiftung für unsere Mitwelt, der BUND-Kreisgruppe Ostholstein, dem Bundesverband Tierschutz, der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, der IG Lebenswertes Fehmarn und dem Verein Tiere in Not Heiligenhafen-Fehmarn begleiten. Hierzu ist ab 9 Uhr eine Kundgebung vor dem Kursaal in Heiligenhafen angemeldet, die Erörterung findet ab 10 Uhr statt. „Besonders wichtig ist die Teilnahme vieler Menschen aus der Region und darüber hinaus, um ein gemeinsames Zeichen gegen die Erweiterung dieser und ähnlicher Anlagen zu setzen“, so Patrick Müller. „Alle, die sich mit uns dagegen aussprechen wollen, sind herzlich eingeladen, Teil der Protestaktion zu sein“, so Provieh. Die Forderung der Protestaktion richte sich insbesondere an das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein, den Antrag auf Erweiterung abzulehnen „und damit ein deutliches Zeichen gegen ein unzeitgemäßes Geschäftsmodell zu setzen“, heißt es.

Fehmarns Grüne an Seite von Provieh

Auch Fehmarns Grüne sprechen sich gegen eine Erweiterung der Schweinemastanlage auf Fehmarn aus. „Industrielle Massentierhaltung gehört nicht zu unserem Verständnis einer artgerechten Tierhaltung. Durch die weitere Optimierung der industriellen Prozesse werden knapp 2500 Tiere mehr bei gleicher Fläche gehalten“, so die Grünen in einem Statement zur Erweiterung. Zum Ausbringen der anfallenden Gülle brauche der Betrieb mehr Fläche, „was sich vermutlich preissteigernd auf die Pachten auf Fehmarn auswirken kann und dem Erhalt einer vielfältigen bäuerlichen Landwirtschaft potenziell entgegenwirkt“, heißt es. Daher beteiligen wir uns an der Protestaktion von Provieh am Dienstag, 23. August, um 9 Uhr am Kursaal in Heiligenhafen“, so Falko Siering, Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, in aktueller Pressenotiz. 

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