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„Take that, Corona!“

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Gemeinschaft ohne Nähe. Die neunköpfige English Speaking Round von und mit Carmen Reinhardt (Mitte) trifft sich in Corona-Zeiten virtuell. © fehmarn24/Privat

Fehmarn – Von Nicole Rochell – „Good morning, ladies and gents, take out your books, please, we continue on page 34.“ Wir erinnern uns. Englischunterricht. Dritte Stunde. Lange ist‘s her.

So viele Menschen, die die meistgesprochene Sprache der Welt in der Schule mal gelernt, und so viele, die sie seit dem letzten Pausengong nie wieder so richtig angewandt haben. Mal im Urlaub, die ein oder andere Vokabel herausge- kramt – that‘s it.

Etliches schlummert bei vielen seitdem unter der Decke des Vergessens. Doch Sprachen wollen gesprochen werden, genau dazu sind sie da. Weiß auch Carmen Reinhardt. Und ist das beste Beispiel. „Ich habe eine patchwork identity“, sagt sie. Ein Teil von ihr ist Englisch, ein anderer Deutsch.

Die gebürtige Spanierin tauschte bereits im zarten Alter von drei Jahren Madrid gegen Nova Scotia in Kanada ein, lebte dort, bis es sie 1978 nach Fehmarn zog. Ihr Mann, Dr. Dietrich Reinhardt, der viele Jahre auf der Insel als Frauenarzt praktizierte, suchte seinerzeit nach einem Ort, wo er sich beruflich niederlassen konnte. Seine Frau stellte keine weiteren Bedingungen, nur die eine: Es muss Meer in der Nähe sein. Fehmarn passte. Und wie.

Carmen Reinhardt, die sich schnell ehrenamtlich engagierte – in den 80er-Jahren gründete sie gemeinsam mit Lehrer Martin Stein die insulare Gruppe von amnesty international und setzt sich bis heute für den Tierschutz ein – hat ihre Hingabe für Sprachen nie verloren. Und teilte – und teilt – was sie perfekt beherrscht, mit interessierten Mitbürgern. Zunächst bei der Volkshochschule Fehmarn (VHS), wo sie English Conversation lehrte, hat sie seit drei Jahren ein nunmehr privates Angebot am Start, das acht Menschen mit Faible für die englische Sprache nutzen: die English Speaking Round.

„So schnell wie möglich wieder live treffen"

Die Gruppe, die sich für gewöhnlich einmal im Monat trifft und reihum als Gastgeber für die anderen fungiert, hat in Zeiten von Corona umswitchen müssen. Derzeit werden die Zusammenkünfte zum Englischlernen virtuell durchgeführt. Umso beachtenswerter, da die meisten Teilnehmer über 60 Jahre, einige gar über 80 Jahre alt sind. Doch nach bereits zweimaligem virtuellen Treffen gehen alle so vertraut mit der Technik um, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. „Aber natürlich möchten wir uns so schnell wie möglich wieder live treffen“, wünscht sich nicht nur Carmen Reinhardt.

Sie spricht übrigens höchstens 10 Prozent, wenn sich alle treffen oder zugeschaltet sind, lässt vielmehr die anderen Teilnehmer der Gruppe reden, die sich gegenseitig übrigens auch mit Vokabeln oder Formulierungen aushelfen, sollte gedanklich mal Not am Mann sein. Die Mitglieder der Speaking Round haben im Laufe der Zeit eine beacht- liche Entwicklung durchlaufen, beurteilt Reinhardt, haben inzwischen das Level intermediate to advanced (mittel bis fortgeschritten) erreicht, schätzt die Kurs-Lehrerin ein.

Diskutiert wird zu einem bestimmten Thema, das Carmen Reinhardt vorgibt. Ob Rock‘n‘Roll oder die Pyramiden, ob Blue Jeans oder Parfums, Musik oder Frida Kahlo, ob New Year‘s Eve oder Leonard Cohen ... – die Themen werden ihr bestimmt nicht so schnell ausgehen. Gesprochen werden kann auch künftig über Gott und die Welt, „nur nicht über Politik und Religion“, ist Reinhardt wichtig. Die gibt am Ende einer jeden Speaking Round das Thema für die nächste Englisch-Verabredung bekannt, Vokabeln, Text mit Vokabeln, entsprechende Grammatik und kleine Diskussions-Auszüge inklusive. Die Teilnehmer stellen sich auf das Thema ein und bereiten sich darauf vor. Zu Rock‘n‘Roll gab es sogar eine besondere Einlage. Ein Mitglied hatte per Powerpoint-Präsentation Ausschnitte von Rock‘n‘Roll-Konzerten mit Elvis und Bill Haley gezeigt. Das war für alle ein Erlebnis.

Eineinhalb Stunden dauert der Gedankenaustausch, der nicht nur einen Beitrag dazu leisten möchte, dass alle möglichst eine gute Zeit haben, sondern natürlich geht es in erster Linie darum, das Englisch zu verbessern.

Ausschließlich auf Englisch

Genau das machen Simone Engel- brecht, Doris Klemptner, Karin Linneberg, Ingrid Mayer, Carl Meyer, Marianne Neukirch, Roland Neukirch, Karin Schnoor und natürlich Carmen Reinhardt in der English Speaking Round, sprechen Englisch, nur und ausschließlich. Da ist die Englisch-Dozentin strikt. Traf sie, vor Corona wohlgemerkt, ein Mitglied in der Stadt, wurde erst einmal ausgiebig Small Talk betrieben, auf dem Marktplatz, in Geschäften, wo man sich auch immer begegnete – in english, of course. Und es wurde über so viel mehr geredet, als nur über das Wetter, so viel steht mal fest. Dafür hat Carmen Reinhardt schon gesorgt. Jetzt bleibt der Englisch-Austausch zunächst einmal virtuell. Die English Speaking Round von Fehmarn, an der übrigens auch zwei der Sprache zugewandte Menschen vom Festland teilnehmen, hat eine WhatsApp-Gruppe gestartet. Auch dort wird natürlich ausschließlich Englisch gesprochen und geschrieben.

Hier verabreden sich die Mitglieder, bringen sich mit Sprüchen und Videos durch die herausfordernde Corona-Zeit. Aber die kann der Speaking Round nicht wirklich etwas anhaben. „Take that, Corona!“, was so viel bedeutet wie „Nimm dies, Corona!“ oder „Da hast du‘s, Corona!“, sagen sie, und lassen sich nicht verrückt machen. Stattdessen lernen sie schon wieder brav ihre Vokabeln für die nächste kostenlose Englisch-Einheit. Kursteilnehmer, die etwas spenden möchten, können dies natürlich jederzeit tun. Carmen Reinhardt würde sich nach wie vor sehr darüber freuen, wenn ein Herzensprojekt von ihr, der Verein Ärzte gegen Tierversuche, von den Spenden profitieren würde.

Weitere Teilnehmer können zur English Speaking Round derzeit nicht hinzustoßen. „Wir sind mit neun Mitgliedern momentan ausgebucht“, so Carmen Reinhardt.

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