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Ist der Buhnenbau unbezahlbar?

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Die langjährigen Forschungsergebnisse der Uni Kiel erläuterte Dr. Klaus Schwarzer (r.), während Frank Barten (l.) von einem langjährigen Genehmigungsverfahren sprach. In der Bildmitte Gunter Goebel und Bürgermeister Heiko Müller. © Peter Foth

HEILIGENHAFEN · „Probieren geht über Studieren“ besagt eine alte Volksweisheit, die auch Dr. Birger R. Gurwell aus Rostock und der Wasserbauer Bernd Opfermann aus Hamburg anwenden würden, wenn es um Strandsicherung durch Buhnenbau vor dem Steinwarder geht.

In Heiligenhafen wird man wahrscheinlich nie probieren, sprich erkunden können, ob mit einen Holzbuhnen-Testfeld die Sedimentbewegung vor dem Steinwarderstrand wirklich zu stoppen ist. Der Grund liegt in den enormen Kosten: Ein Versuchsfeld könnte bis zu zwei Millionen Euro kosten – dieses Geld kann Heiligenhafen einfach nicht aufbringen.

„Ich freue mich auf eine Veranstaltung, die uns Erkenntnisse bringt, die uns weiterhelfen, zum anderen aber auch die Diskussion über Steinbuhnen oder Holzbuhnen beendet. Wir erwarten ein Ergebnis, dass uns hilft eine Lösung umzusetzen und den Strand sicherzustellen und das über viele Jahre“, sagte Bürgermeister Heiko Müller zu Beginn der Veranstaltung.

Mit der Hilfe der Landesregierung kann Heiligenhafen beim Buhnenbau jedenfalls nicht rechnen. Aus Sicht der Küstenschutzverwaltung machte Gunter Goebel aus dem zuständigen Ministerium klar, dass es hier um Testbuhnen gehe, deren Wirkung man nicht voraussagen könne. Es sei ein Trugschluss, dass Buhnen ein Allheilmittel seien, um die Strände stabil zu halten, sagte Goebel. Hier habe die Küstenschutzverwaltung Schleswig-Holsteins schon negative Erfahrungen machen müssen, beispielsweise vor der Probstei. Zu Heiligenhafen sagte Goebel: „Bei nördlichen Winden, die länger andauern, haben wir eine ausgeprägte Brandungsströmung unmittelbar küstensenkrecht auf den Strand und die Deckwerksbereiche. Das kann man nicht mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichen. Eine Förderung aus Küstenschutzmitteln oder anderen Quellen kann es deshalb vom Land nicht geben.“

„Horrorszenario“ Genehmigungsverfahren

Zu einem „Horrorszenario“ konnte auch ein Genehmigungsverfahren werden, das sich über viele Jahre hinziehen könnte, sagte Frank Barten von der Landesplanung. Wegen der Naturschutzgebiete müssten viele Stellen gehört werden, was schon die Planung schwierig mache.

Für Heiko Müller stellte sich die Frage „Nehmen wir enorme Summe in die Hand, um uns ein Testbuhnenfeld mit Sandaufspülung zu leisten oder wollen wir uns weiter eine Aufspülung leisten ohne große Testversuche?“

In seinem Vortrag beschäftigte sich Dr. Klaus Schwarzer vom Geologisch-Paläontologischen Institut der Uni Kiel mit den Sedimentbewegungen im Unterwasserbereich des Steinwarderstrandes und dem Strömungsverhalten. Dr. Schwarzer und seine Mitarbeiter haben über Jahre hinweg den Küstenverlauf in Heiligenhafen dokumentiert und Untersuchungen durchgeführt. Die Sandbänke vor Heiligenhafen wandern mal etwas ans Land ran, aber auch Jahre danach wieder seewärts.

"Nase" am Seepark der Störfaktor

Dr. Schwarzer machte an älterem Bildmaterial deutlich, wie sich der Küstenverlauf in den zurückliegenden Jahren verändert hat. 1958 schloss sich der Warder, 1989 führte das Hochwasser zu einem Durchbruch der Ostsee in der Eichholzniederung. Eine Küste sei immer bereit, sich auszugleichen und sich zu verkürzen, sagte der Experte. Und weiter: „Auch wenn einige es nicht gerne hören, in Heiligenhafen gibt es eine kleine Stelle, die stört.“ Auf der Leinwand erschien der Vorsprung am Seepark, der einem natürlichen Küstenausgleich verhindert.

Auch Bürgermeister Heiko Müller hat das erkannt, denn seine Idee war es, Sand, der beim Bau des Fehmarnbelttunnels weggeschafft werden muss, hier abzulagern, um den Küstenverlauf zu korrigieren. Doch Gunter Goebel hat ihm die Illusion gleich genommen, denn europäische Naturgesetzgebung sowie die Landes- und Bundesgesetzgebung seien kaum zu überwinden.

Dipl.-Ing. Frank Göricke von der Dezernat-Gruppe Küste aus Rostock erläuterte die Küstenschutzmaßnahmen in Mecklenburg-Vorpommern, wo Holzbuhnen für schöne Strände sorgen. Seit den 60er-Jahren baut man hier mit Erfolg verstärkt durchlässige Holzbuhnen.

Vor der Gesprächsrunde hatte Bürgermeister Müller die Experten zu einer Strandbegehung eingeladen. Für Dr. Birger R. Gurwell aus Rostock wurde hier deutlich, dass die Nase am Seepark für „unglückliche Verhältnisse“ sorgt. Dazu komme noch, dass die Sandbänke zu weit seewärts liegen.

In Mecklenburg-Vorpommern gehört der Buhnenbau zum Küstenschutz, den das Land finanziert. Zu jedem Buhnenbau gehört auch eine Aufspülung, die durch die Buhnen jedoch auf etwa zehn Jahre herausgezögert werden könnten. Insgesamt sei er aber zu der Überzeugung gekommen, wie auch schon Dr. Klaus Schwarzer festgestellt hatte, dass es ohne Sedimentzugabe (Aufspülung) in Heiligenhafen nicht funktionieren werde, ließ Dr. Gurwell die Zuhörer wissen.

„Nur der Versuch macht klug“, sagte Dipl.-Ing. Bernd Opfermann, der dafür plädierte, ein Testbuhnenfeld vor Heiligenhafen einzurichten. Dieser Versuch sollte auch wissenschaftlich begleitet werden. Opfermann sprach zudem von einem Wellenbrecher, der hilfreich sein könnte. Auch zu den Kosten konnte Opfermann eine Aussage treffen. Drei Reihen Testbuhnen (146 000 Euro), Sandaufspülung (145 000 Euro). Mit eventuellem Rückbau, Monitoring auf drei Jahre und Planungskosten kam Opfermann schließlich auf rund zwei Millionen Euro.

Für Dipl.-Ing. Wolfgang Wald – er hatte die Steinbuhnen am Strand geplant – wäre eine Sandaufspülung die günstigste Variante, die über Jahre weit billiger käme als ein Buhnenbau, auf dessen Erfolg sich keiner der Experten festlegen wollte.

Die Expertenrunde verfolgten viele Kommunalpolitiker mit. Sie müssen sich jetzt ein Bild von der Lage machen und abstimmen, ob das Testbuhnenfeld gebaut werden kann oder ob Heiligenhafen mit regelmäßigen Sandaufspülungen leben muss. · ft

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