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Hochsaison für die Seehundkümmerer an der Nordsee

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Tanja Rosenberger füttert Jungtiere in der Seehundstation Friedrichskoog mit Heringen.
Das schmeckt: Tanja Rosenberger füttert Jungtiere in der Seehundstation Friedrichskoog mit Heringen. © DPA

Sie heißen Wattenmeeraufseher oder Seehundjäger - und sind zur Zeit im Dauereinsatz. Die Geburtensaison bei den Seehunden ist im vollen Gang und das bedeutet auch viel Arbeit für die Seehundretter von der Nordsee.

Friedrichskoog/Norddeich – Man hört sie schon von Weitem: Es ist kurz vor 11 Uhr, und die Luft rund um die Seehundstation Friedrichskoog an der schleswig-holsteinischen Wattenmeerküste ist erfüllt vom aufgeregten Seehundgebell. Es ist Fütterungszeit für Dutzende junge Seehunde, die in den vergangenen Wochen, von ihrer Mutter verlassen, an den Stränden gefunden wurden, und hier nun aufgepäppelt und auf die Auswilderung vorbereitet werden.

Aktuell ist Hochsaison in den beiden Seehundstationen an der deutschen Nordseeküste Friedrichskoog und Norddeich in Niedersachsen. Seit Mitte Juni werden eigentlich täglich kleine Seehunde von der Seehundstation Friedrichskoog aufgenommen. Häufig auch mehr als einer. 171 kleine Seehunde werden aktuell in der schleswig-holsteinischen Station aufgepäppelt. In die Obhut der Station in Norddeich kamen 183 Heuler.

Die Friedrichskooger Stationsleiterin Tanja Rosenberger schnappt sich Handschuhe, eine Wathose und einen Eimer mit kleinen Heringen und steigt zu den Heulern ins Becken. Umringt von den jungen Robben, zieht sie die toten Fische durchs Wasser, damit die Seehunde lernen, sie zu fangen. Mehr oder weniger geschickt schnappen sich die Seehunde ihre Beute aus den Händen Rosenbergers. Später werden die Fische dann nur noch ins Wasser geworfen, um die Seehunde bestmöglich auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.

Durchschnittlich zehn bis zwölf Wochen bleiben die Tiere in der Station, bis sie genügend Gewicht zugelegt haben und stark und fit genug sind, um ausgewildert zu werden. Zu Beginn werden die Heuler mit einer speziellen Lachsemulsion gefüttert. Anschließend lernen sie in Schritten, selbstständig Fisch zu fressen.

In den Sommermonaten ist die Hauptgeburtenzeit bei den Seehunden. Rund 10 000 Geburten gibt es wattenmeerweit jährlich, teilt die schleswig-holsteinische Nationalparkverwaltung mit. Allein an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste wurden 2021 mehr als 5 000 junge Seehunde gezählt.

Die kulleräugigen Jungtiere werden auf Sandbänken und abgelegenen Stränden bei Ebbe geboren. Ihrer Mutter folgen sie nach Angaben der Nationalparkverwaltung gleich bei der nächsten Flut ins Wasser. Da könne es schon einmal vorkommen, dass beide – etwa durch Strömungen – getrennt werden und der Nachwuchs vermeintlich mutterlos ist. Nicht immer sind die jungen Seehunde aber tatsächlich verwaist.

In Niedersachsen haben die Wattenjagdaufseher so viel zu tun wie seit Langem nicht mehr. „Es gibt viele Heuler dieses Jahr“, sagt der Leiter der Station in Norddeich, Peter Lienau. Problematisch seien Wassersportler, Sportbootfahrer und Wattwanderer, die unbedarft in die Ruhezonen kämen. Viele Gäste seien bereits sensibilisiert. „Aber bei vielen Besuchern an der Küste steigern sich auch die Ausnahmen.“

In Friedrichskoog hingegen sind bisher nicht mehr Heuler aufgenommen worden als üblich, sagt Stationsleiterin Rosenberger. Aber auch sie appelliert an Besucher, Abstand zu den Tieren zu halten und auch Hunde anzuleinen, um Störungen und Stress für die Seehunde zu vermeiden.

Laien können aber nicht erkennen, ob ein Tier Hilfe braucht, sagen Experten übereinstimmend. Daher sollten Menschen, die einen Heuler entdecken, nicht selbst eingreifen, sondern großen Abstand halten und die Polizei, die zuständige Seehundstation oder einen Seehundjäger informieren.

Einer dieser Seehundjäger ist Thomas Diedrichsen. Seit 2006 ist er offiziell einer der ehrenamtlichen Seehundjäger auf der Insel Sylt. Zurzeit sind er und seine Kollegen oft im Einsatz – zum Teil mehrmals täglich. „Wir haben meistens mehr als 1 000 Tiere und Einsätze“, sagt Diedrichsen. Die vier Sylter Seehundjäger arbeiten auf Zuruf. „Jeder macht die ganze Insel. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe. Wer gerade Zeit hat und in der Nähe ist, fährt hin.“  dpa

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