Sanktionen kommen an: Was in Russland jetzt alles knapp wird
Die Sanktionen des Westens gegen Russland zeigen immer deutlichere Spuren. Spätestens im Herbst dürften die Auswirkungen dem Riesenreich richtig zusetzen, erwarten Experten.
Berlin – Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen – das ist für den Westen schwieriger, als so manche Politiker sich das erhofft hatten. Trotz scharfer Sanktionen des Westens macht Putin einfach weiter und auch die russische Wirtschaft wirkt robust. Doch dieser Schein trügt, meinen Experten.
Bundesregierung: „Sanktionen treffen russische Wirtschaft empfindlich“
Auch die Bundesregierung erwartet in Russland einen Wirtschaftseinbruch von bis zu 15 Prozent in diesem Jahr. Dies geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums an den Linken-Abgeordneten Sören Pellmann hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
In der Antwort des Ministeriums heißt es: „Die Sanktionen treffen die russische Wirtschaft empfindlich und werden weitere Wirkung entfalten. Seriöse Berechnungen prognostizieren eine Rezession in Russland, das heißt eine Reduktion des russischen Bruttoinlandsprodukts in einer Spanne von sechs bis 15 Prozent für das Jahr 2022.“ Der Rat der EU geht von einem Rückgang des russischen Bruttoinlandsprodukts um „mehr als elf Prozent“ aus.
Deutschland und die übrigen EU-Länder hatten gemeinsam nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sechs Sanktionspakete beschlossen, darunter auch ein Kohle- und ein Ölembargo. In der Antwort des Ministeriums heißt es, die Strafmaßnahmen gegen Moskau zielten auf die für den Ukraine-Krieg verantwortlichen Personen und auf die Finanzierungsmöglichkeiten des russischen Staates. „Die Sanktionen haben unter anderem Einfluss auf den Kriegsverlauf, da sie die militärischen Fähigkeiten und die industrielle Basis auf Dauer schwächen.“
Experte: „Wirkung der Sanktionen wird im Herbst deutlich“
Welchen Einfluss die Beschränkungen durch den Westen auf die russische Wirtschaft haben, soll sich schon bald zeigen: Die Wirkung der Sanktionen wird im Herbst deutlich, meint Andrej Alexandrowitsch Jakowlew, Professor für Wirtschaftswissenschaften, gegenüber dem Spiegel: „Das wird dann Industriesektoren betreffen, die stark von importierter Technologie abhängig sind“, sagte er.
Viele Industriesektoren – mit Ausnahme der Autoindustrie – konnten bisher trotz Sanktionen noch weiterarbeiten. Jedoch seien die russischen Unternehmen dabei laut Jakowlew über kurz oder lang auf westliche Komponenten angewiesen. Das Problem betreffe fast alle Sektoren, die sich in den vergangenen Jahren modernisiert hatten, darunter die Ölförderung, Mikroelektronik und auch die Landwirtschaft.
Zum Beispiel habe sich Russlands – sehr erfolgreicher – Agrarbereich wegen importiertem Saatgut, Maschinen aus dem Ausland und westlicher Technologie so gut entwickelt. „Jetzt fehlt der Zugang zu ausländischer Technik und Ersatzteilen, die für die Reparatur benötigt werden. Das schlägt nicht nach zwei, drei Monaten durch, eher nach einem halben oder einem ganzen Jahr“, schlussfolgert Jakowlew im Spiegel.
Sanktionen in russischen Elektronikmärkten bereits spürbar
Außerdem treffen die Sanktionen Russlands Wirtschaft nicht nur bei Maschinen und Vorprodukten. „Russische Mobilfunkbetreiber arbeiten im Wesentlichen mit Programmen aus den USA und der EU. Die Lizenzverträge für die Nutzung laufen nicht länger als zwei Jahre, sie haben aber keine Chance auf eine Verlängerung. Gleichwertige russische Software gibt es nicht“, erläutert Jakowlew die Probeme, mit denen sich russische Unternehmen und Verbraucher noch zukommen.
In den russischen Elektronikmärkten sind die Wirkungen von Sanktionen schon jetzt zu sehen: Westliche und koreanische Smartphones sind mittlerweile Mangelware und werden durch chinesische Geräten ersetzt. Ein Autohändler aus Moskau sagte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass sein Autosalon so gut wie keine Autos mehr verkaufe. „In fünf Jahren werden wir alle nur noch in russischen Marken umherfahren“, sagte er der Zeitung. (lma/dpa)